Durch Akzeptanz zur Seelenheilung

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Dieser Text ist der Abschluss der beiden Texte über die Ursachen innerer Blockaden  „Die Gnade des Widerstands“ und „Widerstand und spirituelles Wachstum“.

Die meisten Menschen sind sich sehr wohl bewusst, dass sich hinter ihrer nach außen dargestellten Persönlichkeit etwas Unbekanntes verbirgt, das gemeinhin als Schatten bezeichnet wird. Viele haben Angst vor ihrer dunklen Seite, die immer wieder an die Oberfläche drängt und scheinbar nicht kontrolliert werden kann. Manche halten diese unbewussten Energien gar für schwarz und böse.

Wie gehen wir mit den verleugneten und verdrängten Energien um, die uns auf dem Weg nach Innen begegnen?
Als erstes muss verstanden werden, dass es sich dabei nicht um etwas Fremdes oder Feindseliges handelt, auch wenn die Konfrontation mit unseren Schatten, unserer Angst, Wut und Schmerz zuerst diesen Eindruck nahelegt.

Um uns diesem Thema anzunähern, möchte ich kurz auf die wirkliche Natur der Dinge eingehen.

Alles in dieser Welt, innen wie außen, ist aus Gegensatzpaaren aufgebaut, die die beiden Polaritäten eines größeren Ganzen bilden.
Wir leben in der Welt der Dualität.
So wie Lichtschalter ein „Aus“ benötigt, um ein „An“ haben zu können, braucht jedes Objekt immer seinen Gegenpol um sich davon abzugrenzen und sich darüber zu definieren. Wir wüssten nicht, was ein Tag wäre, gäbe es nicht die Nacht.
Sommer kann es nicht ohne Winter geben, Licht nicht ohne Dunkelheit, Liebe nicht ohne Hass, Glück nicht ohne Leid und Stille nicht ohne Lärm. Doch der Winter ist nicht der Feind des Sommers und der Tag nicht der Feind der Nacht. Beide brauchen einander um zu existieren und gemeinsam bilden beide ein größeres, übergeordnetes Ganzes, das beide Pole in sich vereint und doch mehr ist als die Summe beider Teile.
Ausnahmslos alle polaren Gegensätze stellen die Vorder- und Rückseite von etwas Größerem dar und beinhalten in sich bereits Ihren Gegenpol. Sehr schön beschreibt dies das chinesische Yin und Yang-Symbol.

Auch die Schatten, die uns auf dem Weg nach Innen begegnen, sind nur die Rückseite dessen, was wir bereits kennen. Es ist exakt die gleiche Energie, die einfach nur in eine Gegenrichtung schwingt.
Trauer ist die Rückseite der Freude. Hass ist Liebe, die auf dem Kopf steht. Nicht ohne Grund kippen Liebesbeziehungen gelegentlich in blanken Hass um, wenn unausgesprochene Vorstellungen oder Erwartungen nicht erfüllt werden.
Es kann keine Liebe ohne Hass geben, Liebe braucht den Hass als Hintergrund um als Liebe erscheinen zu können. Genauso braucht Glück die Traurigkeit um als Glück wahrgenommen werden zu können.

Dieses kosmische Prinzip gilt universell, ganz gleich ob wir uns mit der spirituellen Welt, dem inneren Kosmos, oder mit der materiellen physischen Welt befassen. Den Energien, Gefühlen oder Gedanken in unserem Inneren entsprechen in der physikalischen Welt Elementarteilchen, die kontinuierlich als Materie und Antimaterie erscheinen. Sie steigen als Quantenfluktuation aus dem Vakuum auf und lösen sich wieder darin auf.
Ebenso steigen auch unsere Gedanken und Gefühle spontan und unverursacht aus dem Nichts, dem leeren Raum in uns auf und vergehen wieder darin, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Mit diesem Verständnis erscheinen die Schatten, die uns begegnen, schon wesentlich weniger bedrohlich. Wir wissen jetzt, dass sie einfach nur die Rückseite dessen sind, was wir ohnehin schon erfahren und als Teil unserer Persönlichkeit bereits akzeptiert haben.

Wenn wir jetzt Wut, Angst, Eifersucht oder Trauer in uns entdecken, können wir lernen, diese nicht mehr abzuwehren, sondern innezuhalten und dieses Gefühl wie einen inneren Wind durch uns hindurchströmen zu lassen, ohne etwas damit zu machen. Wir greifen nicht nach unseren Geistesinhalten und stoßen sie nicht weg. Wir schauen nicht einmal explizit hin, denn auch das Hinschauen beinhaltet häufig eine verborgene Ablehnung. Ein Schauen ohne innewohnende Unterschwingung von weghaben-wollen gleicht mehr einem Betrachten aus dem Augenwinkel, ein zur–Kenntnis-nehmen ohne den Wunsch, mit dem Wahrgenommenem etwas machen zu wollen.

Wenn wir unsere Erwartungen, Ideen und Vorstellungen beiseitelassen und einfach nur geschehen lassen, alles aufsteigen lassen, geschieht etwas sehr interessantes.
Als erstes bemerken wir, dass es in uns spürbar lebendiger wird.
Um ein Gefühl nicht zu fühlen, müssen wir das gesamte Feld, in dem es erscheint, herunter dimmen. Wenn du nicht bereit bist, Schmerz zu spüren und diese Ebene deines Seins ausblendest, wirst du auch nicht mehr in der Lage sein, Freude zu empfinden.
Wenn du die Traurigkeit nicht sehen willst, ist auch das Glück gelähmt. Wer die Veränderung, das kontinuierliche Abtauchen und Vergehen von Erfahrungen nicht zulassen kann, dessen Leben erstarrt in krampfhaftem Festhalten und Anklammern.
Wer den Tod, das kontinuierliche Loslassen nicht erlauben kann, kann auch das Leben in sich nicht vollständig zulassen. Das Leben benötigt den Hintergrund des Todes um vor diesem frei strömen zu können.

Erst wenn beide Seiten gefühlt werden, wird das Feld, in der sie erscheinen, sichtbar und erlebbar. Dann können sich beide Pole in voller Blüte entfalten.
Die Ursache, warum in unserer Gesellschaft so viele Menschen an Depressionen und Gefühlsverarmung leiden, liegt meines Erachtens an dem kollektiven Verleugnen dieser elementaren Lebensweisheit.
Wenn du dich deinen „negativen“ Emotionen nicht stellst und glaubst, durch diese
Ausgrenzung nur noch „positive Emotionen“ zu empfinden, spürst du irgendwann gar nichts mehr.
Sich seinem spirituellen Dasein zu öffnen bedarf einer gewissen Portion an Mut und geistiger Reife. Doch dem, der diesen Mut aufbringt und sich seinen Energien urteilsfrei zuwendet, öffnet sich das ganz große Mysterium – die transzendente, übergeordnete Ebene der Dualität aus Liebe und Hass, Freude und Trauer, Glück und Leid.
Eine völlig neue und unbekannte Ebene erscheint in unserem Bewusstsein, eine Dimension, die jegliche mentale Vorstellungskraft um Lichtjahre hinter sich lässt. Kein Gedanke, kein Begreifen kann jemals in diesen Bereich eindringen, denn es ist der Urgrund, aus dem alle Gedanken, alle Gefühle und alles Sein emporsteigen. Dieser innere Kosmos, der genau so unendlich und unergründbar ist wie der Kosmos im Außen, beinhaltet alles was ist, war und jemals sein wird.
Er beinhaltet mich, dich und jeden anderen.
Er beinhaltet alle Materie und sogar die Zeit selber.

Erst wenn man diesen Raum erfahren hat, kann man erahnen, was Buddha mit Nirwana oder der Hinduismus mit Moksha meinen.

Wissenschaft und Non-Dualität

Die physikalische Grundlagenforschung, insbesondere die Elementarteilchenphysik und die Kosmologie, liefern bereits seit Jahrzehnten absolut irrationale Ergebnisse, die unsere Verständnisfähigkeit und jegliche Logik weit hinter sich lassen. In weiten Bereichen erscheint die moderne Physik wie eine Abhandlung über östlichen Mystizismus, als wäre sie von den indischen Upanischaden abgeschrieben worden.

Stephen Hawking, der angesehenste Physiker der Gegenwart, schreibt, der Kosmos bestünde nur aus den zwei Grundelementen Raum und Energie.
Das klingt sehr vertraut. In Indien wurde dies bereits vor 5000 Jahren herausgefunden. Damals verwendete man nur andere Worte als heute Shiva und Shakti als Synonym für Raum und Energie, oder präziser ausgedrückt: Bewusstsein und Energie.
Wie konnten die Inder dies ohne Teleskope und moderne Naturwissenschaften herausfinden?
Wenn das Weltall tatsächlich nur aus Raum und Energie bestehen sollte, bestünden auch wir, als Teil dieses Universums, nur aus Raum und Energie. Und genau das entdecken wir, wenn wir in uns selbst hineinschauen: Raum und Energie.
Man kann die Welt also auch aus dieser Perspektive ergründen und benötigt dafür nicht einmal die Brillanz eines Stephen Hawking.

Was für den Astronomen das Teleskop und für den Physiker der Teilchenbeschleuniger ist, ist für den Mystiker seine Innenschau, sein Gewahrsein – und alle führen zu den gleichen Ergebnissen.
Bereits Einstein kam vor mittlerweile 100 Jahren in seinen Berechnungen zu dem Ergebnis, dass der Kosmos allen Raum und alle Zeit gleichzeitig beinhaltet.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft existieren gleichzeitig wie ein Film auf einer Filmrolle. Einstein prägte dafür den Begriff Blockuniversum als einer übergeordneten Dimension jenseits von Raum und Zeit, die er Hyperzustand nannte.

Die Mystik spricht hier einfach nur vom „Hier und Jetzt“, dem gegenwärtigen Zustand in dem bereits alles anwesend ist – Gestern, Heute und Morgen. Alles geschieht im Hier und Jetzt.

„Bevor Abraham war
bin Ich“
Jesus

Wirkliche Spiritualität hat nichts mit Esoterik, Engeln, Elfen oder Einhörnern zu tun. Sie ist die exakte Wissenschaft des Inneren, in der eindeutige Methoden zu eindeutigen Ergebnissen führen.

„Die Religion der Zukunft wird eine kosmische Religion sein. Sie sollte sich auf das Natürliche ebenso beziehen wie auf das Spirituelle und ein religiöses Empfinden zur Grundlage haben, welches aus der Erfahrung erwächst, dass alle Dinge der Natur und des Geistes eine sinnhaltige Einheit bilden.“
Albert Einstein

Im Welle-Teilchen-Dualismus der Elementarteilchenphysik taucht das Bewusstsein mittlerweile als definierte physikalische Größe auf. Es ist einfach nicht mehr zu leugnen, dass der Akt des Beobachtens in einem Experiment für ein vorhersagbares Verhalten von Teilchen verantwortlich ist.
Der passive Akt des Beobachtens verändert das Verhalten der realen Welt.
Letztendlich führt kein Weg an der spirituellen Erkenntnis vorbei. Sie ist der direkte Zugang zur Realität und zum wahrhaftigen Erkennen. Nicht als abstraktes theoretisches Konzept, sondern als lebendige Offenbarung. Dieser Weg steht jedem offen, es braucht nicht einmal einen Schulabschluss. Eine übertriebene Intellektualiserung und der Wille, alles mental zu erklären, stehen der intuitiven Erkenntnis eher im Weg.

Selig sind die geistig Armen,
denn ihrer ist das Himmelreich
Jesus

Ein kollektives Verleugnen der Dimension der Spiritualität ist nur in absoluter Verblendung möglich, in der alle Erkenntnisse der gegenwärtigen Forschung aus Quantenphysik, Kosmologie oder Neurobiologie willentlich ignoriert werden.
Der Schweizer Chemiker und Entdecker des LSD, Albert Hoffmann, sagte einmal: „Ein Chemiker, der kein Mystiker ist, hat die Chemie noch nicht verstanden.“

Ein Neurowissenschaftler oder Physiker, den seine Forschungen nicht zur Spiritualität führen, hat seine eigenen Ergebnisse noch nicht verstanden.
Wahrscheinlich wird diese Erkenntnis erst in Jahrzehnten oder Generationen im  kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft ankommen. Auch die kopernikanische Revolution dauerte mehrere Generationen, bis der Übergang vom geo- zum heliozentrischen Weltbild, bis also die Tatsache, dass die Sonne sich nicht um die Erde dreht, im Bewusstsein der Menschen angekommen war.

Alles findet in diesem leeren Raum in uns statt, den wir in uns vorfinden, wenn wir aufhören, uns im Kampf mit den Polaritäten zu verstricken. Wenn wir aufhören, uns immer und immer wieder an das Rad des Lebens zu binden und mit ihm auf das Karussell der Emotionen und Energien aufzuspringen.

Darin liegen der Sinn und das unglaubliche Geschenk der Spirituellen Reise, der Heldenreise unserer Seele durch das tosende Meer von Samsara.

Manik, Januar 2017
www.lichtrebellen.de


Die weiße Tara steht im Buddhismus für die Reinheit der Erkenntnis